Jona Gellert
Ich verrate dir noch ein Geheimnis:
Ich brauche das Schreiben wie die Luft zum Atmen. Kann ich nicht schreiben, wenn mich die Muse küsst, werde ich unausstehlich. (Ungefähr genauso, wie wenn ich hungrig bin. Das geht gar nicht!) Ein Autor kann aber von Luft allein nicht leben, auch wenn das toll wäre. Nein, so ein Autor braucht auch Rezensionen. Hast du Lust, mir, Sam und Lilli eine zu schreiben? Weißt du, es müssen nicht viele Worte sein. Einfach deine Meinung und vielleicht noch eine Begründung. Das Buch war toll, weil … oder natürlich auch: Das Buch hat mir nicht gefallen, weil … Dann noch ein paar Sterne dazu, fertig. Und ich kann leben, atmen, weiterschreiben und bin dir so sehr dankbar!
Sie sieht auf und spürt die Gänsehaut vom Kopf bis zu den Zehenspitzen über ihren Körper krabbeln. Gedankenlos streicht sie sich mit der rechten Hand über den linken Unterarm, ein sinnloser Versuch, die Härchen dazu zu bringen, sich wieder schlafen zu legen, die sich aufgeregt emporstrecken, als wüssten sie, dass dieser Augenblick ein ganz besonderer ist. Denn da steht er, unterhält sich mit seinem Freund, als wäre das völlig normal. Als wäre er jeden Samstag hier in der Tanzschule.
Er ist größer als in ihrer Erinnerung, Rücken und Schultern sind breiter und seine Muskeln zeichnen sich bei jeder Bewegung deutlich unter dem weißen Shirt ab.
Ihr Blick haftet an ihm wie angeklebt, mit Sekundenkleber vielleicht, und ihre Augen zeigen ihr, was der Verstand schon weiß. Was sie aber nicht wirklich glaubte, ohne ihn zu sehen, denn viel zu lange traf sie ihn nicht. Sie atmet ein, zählt dabei langsam bis vier, hält eine Sekunde inne und lässt die Luft dann ganz bewusst wieder entweichen. Eins … zwei … drei … vier … fünf. Pause. Und saugt erneut Sauerstoff in ihre Lungen. Wie Brauseexplosionen verteilen sich kleine Glücksprisen in ihrem Inneren und hinterlassen im Hals einen Kloß, der sich anfühlt, als wäre er größer als ein Glückskeks. Sie schluckt und spürt, wie die Explosionen den Kloß zu zertrümmern versuchen, und reibt mit den Fingerspitzen fest über die Stirn, um das schwindelige Gefühl dort wegzuwischen.
Lexie betrachtet Jeremias, der in der Unterhose vor ihr steht und sie herausfordernd ansieht. Sie kaut auf ihrer Unterlippe und legt den Kopf leicht schief. Seine Worte klingen glaubhaft, und doch fällt es ihr unendlich schwer zu nicken und sich auszuziehen. Sie sieht sich nach allen Seiten um und prüft, ob außer ihnen jemand an diesem wunderbaren Ort ist, dann sperrt sie alle ihre Bedenken und ihre Angst so gut es geht weg und schält sich aus ihren Klamotten. Sie spürt die Sonne heiß auf ihrer Haut, obwohl es schon Abend ist, und Jeremias’ Erzählung von seinem Vater klopft immer wieder fest an den Rand ihres Bewusstseins, doch sie schafft es, nicht daran zu denken. Ihr Herz schlägt wild, als sie Jeremias’ Hand nimmt und mit ihm in den rauschenden Fluss steigt. Das Wasser wirbelt kalt um ihre Füße, und sie verkneift sich einen erschrockenen Aufschrei. Es fühlt sich an, als hätte sie ihre Füße in fließendes Eis getaucht. Sie sieht Jeremias an, auf dessen Gesicht sich ein Lächeln schlich. Seine grauen Augen glänzen neckisch, und Lexie nestelt verlegen an ihrem BH. Sein Blick bringt alles in ihr durcheinander, und sie vergisst sogar ihre kalten Füße. Jeremias bleibt stehen, und sie geht die paar Schritte auf ihn zu, verkleinert die Lücke zwischen ihnen, bis sie direkt vor ihm steht. Sie sieht ihm in die Augen und streicht mit den Fingerspitzen vorsichtig über seinen Bauch. Seine Muskeln spannen sich an, doch er weicht nicht zurück und lächelt sanft. Seine Hände streichen über ihre Schultern und die Oberarme und wieder zurück und umschließen ihr Gesicht. Seine Lippen berühren ihre, und mit klopfendem Herzen und kalten Füßen erwidert sie den zärtlichen Kuss.
Viele kleine Küsse hüpfen danach vorsichtig und sanft von einem zum anderen, und ihre Hände erforschen den Körper des Gegenübers. Lexie fühlt Jeremias’ makellose, weiche Haut, und sie kann kaum glauben, was in diesen Augenblicken passiert. Er lässt sie so nahe an sich heran wie nie, und mittlerweile ist sie froh, dass zumindest ihre Füße abgekühlt sind, sonst würden ihre Gefühle überkochen. Sie sieht das Lächeln, das sich vorwitzig zwischen seine Küsse schleicht, und in seinem Blick liegt noch immer dieses Funkeln und etwas, das Lexie noch nie bei ihm sah und das sie gerne als Glück deuten würde. Doch dann verändert sich urplötzlich sein Blick. Er zieht die Augenbrauen nach oben und die Mundwinkel ebenso, schlingt die Arme um sie und lässt sich mit ihr nach hinten fallen. Lexie schreit erschrocken auf und prustet und japst nach Luft, da das kalte Wasser über ihren gesamten Körper schwappt, und sie schlägt schimpfend nach Jeremias. Doch der lacht und zieht sie zu sich her, um sie zu küssen, und ihr Widerstand schwindet sofort. Sie schlingt ihre Arme um ihn und gräbt ihre Finger in seine nassen Haare.
»Das war ja schon fast filmreif«, sagt Lexie, und in ihrer Stimme gluckst das Lachen, als sie sich neben Jeremias ins Gras legt und die Augen schließt, damit die Sonne sie nicht blendet. Ihre Hand liegt in seiner, und sie spürt den leichten Druck, als er ihr zustimmt.
»Es war schön.« Seine Stimme ist rau und kratzt, und durch Lexie rollt ein Kribbeln wie eine große Welle. Trotz der Hitze bekommt sie eine Gänsehaut. Sie kann es kaum fassen, wie sich in den letzten Stunden alles veränderte. Sie schwammen zusammen, blödelten herum, tauchten sich gegenseitig, und sie konnten die Finger nicht voneinander lassen. Und nun liegt sie hier, hält seine Hand, und ihr Herz schlägt wilde Purzelbäume. Das Adrenalin rauscht durch ihre Adern, und sie strahlt glücklich in den Himmel hinauf. Die Erinnerungen an die letzten Wochen ohne ihn halten ihr leuchtende Warnschilder entgegen, doch sie beachtet sie so wenig wie möglich.
Deine Jona